Annabelles Traum
„Mein Mann wurde gerufen.
Sehr deutlich. Mehrfach.“
Annabelle ist spirituelle Heilerin. Ständig erweitert sie ihre Energiearbeit durch neue „Tools“, hinterfragt ihr Vorgehen, überprüft die Ergebnisse, holt sich Rückmeldungen von ihren Klientinnen und Klienten, passt ihre Methodik entsprechend immer wieder an.
Durch die langjährige Traumarbeit bekam ich ein Bild davon, wie Annabelle auf der Suche bleibt und sich um passgenaue Wirksamkeit bemüht. In letzter Zeit wurden ihre inneren Stimmen lauter und deutlicher, die eine Anerkennung ihrer Arbeit fordern.
Nun hat sie diesen Traum.
„Mein Mann wurde gerufen. Sehr deutlich. Mehrfach.“
Traumdiamant
Als Annabelle mir ihren Traum erzählen wollte, hatte ich nur kurz Zeit, um ihr zuzuhören. Auch ihre Versicherung, dass es ein superkurzer Traum sei, war da eher nicht beruhigend. Denn meine Erfahrung besagt, dass entgegen jeder Erwartung kurze Träume nicht dazu neigen, ihre Botschaft innerhalb von ein, zwei Minuten preiszugeben. Ganz im Gegenteil. Übrigens hat man umgekehrt nicht unbedingt damit zu rechnen, dass Traumgeschichten, die zwei A4-Seiten füllen, stundenlang analysiert werden müssen.
Was sich jetzt allerdings wieder bestätigte, ist, dass kurze Träume es mitunter richtig in sich haben. Anabelles Kurztraum war ein echter Traumsplitter, ein Traumdiamant sozusagen.
Handlungskraft
Das Augenfällige an Annabelles Traum ist ja, dass es darin um ihren Mann geht. Das bedeutet für mich als Traumarbeiterin, genau zu differenzieren und zu hinterfragen: Geht es bei der Traumbedeutung eventuell tatsächlich um ihren Mann? Das wäre nicht auszuschließen. Menschen, die uns sehr nahe stehen wie Partner, die eigenen Kinder oder sehr enge Freunde haben manchmal eine 1:1-Bedeutung, es geht also um sie selbst in dem Traum. Und manchmal stehen sie symbolisch für innere Anteile des Träumers. Genaues Hinschauen bei den engen Bezugspersonen im Traum heißt also, diese beiden Aspekte zu untersuchen. In vielen Fällen ist es dann die Essenz der Traumperson, die die Träumerin oder der Träumer in sich selbst wiederfinden muss.
Also fragte ich Annabelle zuerst, was bei ihrem Mann oder mit ihm gerade im echten Leben los sei. Da sie darauf keine unmittelbare Antwort hatte, ging ich zur nächsten Frage über, die offenbar viel hilfreicher war. Denn mit dieser ging sie sofort deutlich in Resonanz:
„Wo wirst du [also Annabelle] gerade zum Handeln gerufen?“
– Diese Frage impliziert, dass der Ehemann im Traum Annabelles eigene Handlungskraft symbolisiert.
Und tatsächlich, Annabelle bestätigte, dass sie derzeit in einer für sie selbst wichtigen Angelegenheit handelnd unterwegs sei:
Sie berichtete von einer Gruppe, mit der sie einen Tag zuvor Orte besuchte, die geomantisch geheilt werden sollten. Dabei wurde besprochen, ein Vorhaben auf einen späteren Termin zu verschieben. Doch Annabelle empfahl, wegen der Dringlichkeit sofort mit der energetischen Arbeit zu beginnen. Zu ihrer eigenen Überraschung wurde jedoch die von ihr angedachte Energieübertragung schon wirksam, während sie ihre Empfehlung und Absicht noch aussprach. Nicht nur sie selbst, sondern auch die anderen sensitiv Empfänglichen in der Gruppe spürten die enorme energetische Kraft, die sich direkt auf den Ort richtete, sofort. Alle waren sprachlos vor Erstaunen und Rührung.
Berufung
Für Annabelle war es neu, eine solche unmittelbare Wirksamkeit ihrer Arbeit und die direkte Rückmeldung von anderen dazu zu erleben. Anders als bei ihrer Arbeit in der Praxis fühlte sie sich in ihrer Kompetenz gleichzeitig erfolgreich und bestätigt.
Die Traumessenz von
„Mein Mann wurde gerufen. Sehr deutlich.“
ist somit ein zielgerichteter Fingerzeit zu Annabelles Handlungskompetenz, ein Weckruf für ihre Berufung. Sie hatte in dem Moment gespürt, wie es ist, etwas zu tun, das sich für sie gleichwohl innerlich stimmig anfühlt als auch außen gebraucht, wahrgenommen und anerkannt wird.
Bestätigung in jeder Zelle
Doch wozu bedarf es einer solchen Traumbotschaft? Warum muss eine so grandiose und deutliche Erkenntnis auf dem Umweg über einen Traum an den Mann bzw. in diesem Fall an die Frau gebracht werden?
Ich denke, die Antwort darauf wirst du bestätigen, wenn du zu denen gehörst, die schon lange auf der Suche nach ihrem richtigen Weg im Leben sind, die immer wieder zweifeln und sich ihrer Erfolge nicht sicher sind.
Selbstverständlich hat Annabelle bei ihrer Arbeit in der Gruppe die Stimmigkeit ihres Wirkens sehr deutlich gespürt. Doch du kennst sie bestimmt auch: den kopfschüttelnden inneren Zweifler, den lauten inneren Kritiker, das gehässige Teufelchen, dass einem etwas ins Ohr flüstert? Diese Kerle sind im Wachleben in Lichtgeschwindigkeit zur Stelle und unterwandern gnadenlos deine hart erarbeitete oder noch schneller deine leicht aufflackernde Anerkennung und Wertschätzung deines Daseins, deiner Leistung, deines Weges. Und sie wecken alte, sehr wirksame Glaubenssätze in dir, die deine Erfolge und deine Selbstgewissheit im Handumdrehen zunichte machen.
Doch wenn sich im Traum eine solche reine Botschaft formiert und meldet, schlafen diese gemeinen Kobolde, denen es sonst gelingt, dich schnell und immer wieder klein zu machen.
Hilfreiche Traumarbeit
Bei der Arbeit mit den Träumen werden deren Botschaften im Wachzustand bewusst wiederbelebt. Dabei spürst du die unmittelbare originale Kraft einer Botschaft. Wenn du dies so erlebst, dann vibriert jede Faser deines Körpers und jede Zelle kommt in Resonanz mit deiner wahrhaftigen Selbsterkenntnis, die der Traum dir vermitteln möchte. Du erlebst die Wahrheit in dir, die dir keiner streitig machen kann, denn du hast die Gewissheit, dass genau du gemeint bist, du selbst, wahrhaftig und echt, genau wie du gedacht bist.
Ein kurzer Traum, der es in sich hatte, eine knackige Traumbotschaft, die ermutigte, eine Bestätigung, die gebraucht wurde, von Annabelle …
Sieben Worte hat Annabelles innere Instanz gebraucht, um eine wesentliche Botschaft zu einem Traum zu verdichten. Sieben Worte … Ich mag diese wertvollen Kurzträume. Oben habe ich bereits an einen früheren Artikel erinnert und ihn verlinkt – hier nochmals: Ich nenne diese besonderen Träume Traumsplitter oder Traumdiamanten.
Kennst du solche Träume? Wenn ja, hier jedenfalls entfiele die Ausrede, du hättest keine Zeit, den Traum am Morgen aufzuschreiben. So viel Muße wird sein – den Traumdiamanten zur Erinnerung schnell skizziert und einige Stichpunkte zu deinem Befinden, zu deinem Erleben am Vortag notiert, auch so füllt sich dein Traumtagebuch.
Ok, ich gebe zu, nicht jeder ist mit solchen Träumen gesegnet.
Und du?
Dieser Traum scheint auch nahe am Thema der Be-Ruf-ung (im religiösen Sinne) zu sein. Die Bibel ist voll von Geschichten, in denen Menschen im Traum konkrete Handlungsanweisungen von Gott bekommen haben.
Beispiele gefällig?
Danke für deine Antwort, liebe Anne!
Da sagst du etwas …! Tatsächlich ist dieser Traum von Annabelle nicht der erste dieser Art, der mir über den Weg gelaufen ist. Auch Kurzträume von anderen haben manchmal diese besondere „Energie“ – es geht um das Rufen bzw. Gerufenwerden, wobei eine Verbindung zu religiösen Themen bzw. direkten Bibelaussagen eine Rolle spielen.
Also wenn du Beispiele parat hast zu dieser Be-Ruf-ung, fände ich das sehr spannend.
1) Die Berufung des Beschützers der Heiligen Familie: Josef stellte fest, dass Maria, seine Verlobte, schwanger war und das nicht von ihm. Nach den Sitten der Zeit hätte er sie auf mehr oder minder dramatische Art verstoßen müssen. Statt dessen passierte folgendes (Matthäus 1, 20-21): „Während er noch darüber nachdachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird das Volk von seinen Sünden erlösen.“
2) Die Rettung des Jesuskindes vor der Verfolgung durch Herodes.
a) Anweisungen an die Sterndeuter: Die Weisen aus dem Morgenland sahen Zeichen, dass ein neuer König der Juden geboren wurde und reisten an, um ihm zu huldigen. Beim aktuellen König Herodes fragten sie, wo sie das tun könnten. Der schickte sie nach Betlehem und wies sie an, ihm auf dem Rückweg alles zu berichten, denn er wollte den neuen Konkurrenten beseitigen. Nachdem die Sterndeuter dem kleinen Jesus ihre Aufwartung gemacht hatten, gehorchten sie Herodes jedoch nicht (Matthäus 2,12): „Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.“
b) Anweisung an Josef zur Flucht (Matthäus 2,13): „Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, siehe, da erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten.“
3) Die Berufung des Propheten Samuel (1. Buch Samuel 3, 1-11) ist ein Lehrstück über Irrungen und Wirrungen und die notwendige Geduld beim Umgang mit Träumen oder, da das Wort Traum nicht genannt wird, mit Berufungen, die im Schlaf geschehen:
„Der junge Samuel versah den Dienst des Herrn unter der Aufsicht Elis. In jenen Tagen waren Worte des Herrn selten; Visionen waren nicht häufig. Eines Tages geschah es: Eli schlief auf seinem Platz; seine Augen waren schwach geworden und er konnte nicht mehr sehen. Die Lampe Gottes war noch nicht erloschen und Samuel schlief im Tempel des Herrn, wo die Lade Gottes stand. Da rief der Herr den Samuel und Samuel antwortete: Hier bin ich. Dann lief er zu Eli und sagte: Hier bin ich, du hast mich gerufen. Eli erwiderte: Ich habe dich nicht gerufen. Geh wieder schlafen! Da ging er und legte sich wieder schlafen. Der Herr rief noch einmal: Samuel! Samuel stand auf und ging zu Eli und sagte: Hier bin ich, du hast mich gerufen. Eli erwiderte: Ich habe dich nicht gerufen, mein Sohn. Geh wieder schlafen! Samuel kannte den Herrn noch nicht und das Wort des Herrn war ihm noch nicht offenbart worden. Da rief der Herr den Samuel wieder, zum dritten Mal. Er stand auf und ging zu Eli und sagte: Hier bin ich, du hast mich gerufen. Da merkte Eli, dass der Herr den Knaben gerufen hatte. Eli sagte zu Samuel: Geh, leg dich schlafen! Wenn er dich ruft, dann antworte: Rede, Herr; denn dein Diener hört. Samuel ging und legte sich an seinem Platz nieder. Da kam der Herr, trat heran und rief wie die vorigen Male: Samuel, Samuel! Und Samuel antwortete: Rede, denn dein Diener hört. Der Herr sagte zu Samuel: Fürwahr, ich werde in Israel etwas tun, sodass jedem, der davon hört, beide Ohren gellen.“
Interessant finde ich hier das Motiv der Mehrmaligkeit, das Annabel ja offenbar auch erfahren hat.
4) Im alten Testament fungieren Josef, der Sohn Jakobs (also nicht der eben genannte, Genesis 37-41), Gideon (Richter 7,13) und Daniel (Daniel 1,17) als Traumdeuter. Da werden auch Traumbilder und -geschichten zitiert. Es könnte interessant sein, ihr Vorgehen mit Deinem hier zu vergleichen 🙂
5) Nach der biblischen Zeit wurde der Hl. Patrick zum Missionar und später Bischof Irlands, indem er seinen Träumen folgte. Genaueres ist mir leider nicht bekannt.
Wow, liebe Anne, welch eine Zusammenstellung. Danke dafür.
Du erwähnst speziell dieses Beispiel, mehrfach (im Traum) gerufen zu werden. – Man hat – von der anderen Seite – offenbar auch Geduld mit uns.
Also mich animiert es noch mehr, auf solche Träume, die schon sehr speziell sind, zu achten. Es könnte besonders wichtig sein, was uns da offenbart wird.